Petitionsaufruf
Immer wieder hören wir den Vorwurf, wir würden den Staat provozieren, es darauf ankommen lassen und unnötig Probleme mit der
Justiz oder sogar Gefängnis riskieren. Wir seien also selbst dran schuld und müßten jetzt, wo wir Solidarität erwarten, auch die Suppe selbst auslöffeln.
Aber das, was man Andreas Röhler vorwirft und wofür man ihn mit Gefängnis bestrafen will, d.h. das, womit er also „provoziert“ haben
soll, ist, daß er versucht hat, „eine öffentliche Debatte zu ermöglichen“. Weiter, daß er als Herausgeber Texte veröffentlicht hat, in denen eine „versachlichende Wortwahl” gepflegt wird.
(1)
Das alles ist so ungeheuerlich, daß man es nicht glauben mag. Was kann darüber hinaus noch gesagt werden, bis sich die selbsternannten
Freiheitskämpfer und Liberale einmal dazu zu bequemen, den kleinen Finger zu bewegen, und sei es, sich für etwas so Langweiliges auszusprechen, daß der Versuch, „eine öffentlichen Debatte zu
ermöglichen“, nicht kriminalisiert werden sollte? (2)
Immer öfter hört man das Gerede, wir würden in einer zu Tode liberalisierten Gesellschaft leben, daß Demokratie gut und schön, aber den
Problemen der Zeit nicht mehr gewachsen sei. Ich bin nicht dieser Meinung. Weder haben wir es mit einer liberalen Gesellschaft zu tun, noch können Probleme dadurch gelöst werden, indem man die Leute
daran hindert, frei ihre Meinung zu sagen; dadurch werden höchstens die Probleme verdrängt. Den Kritikern des Liberalen sei gesagt, daß auch in einer konservativ ausgerichteten Gesellschaft ein
Mindestmaß an Öffentlichkeit und freier Diskussion hergestellt sein und stattfinden muß, wenn sie einigermaßen funktionieren soll. Doch es muß gefragt werden, ob die Neokonservativen überhaupt an einem
Funktionieren oder nicht doch eher an reinem Machtgewinn und der Ausklammerung der Öffentlichkeit interessiert sind. Dabei bedienen sie sich der demokratischen Institutionen und gebärden sich als
Demokraten.
Wo bitte schön soll sich denn diese Gesellschaft zu Tode liberalisiert haben, wo soll denn überhaupt noch der Ansatz dazu bestehen, diesen
Staat einen freiheitlichen zu nennen, wenn seine Justiz- und Sicherheitsorgane ungestraft Leute aus dem Grunde verfolgen hinter Gitter bringen wollen, weil diese „die öffentliche Debatte
ermöglichen“ versuchen?!
Wenn man dafür verfolgt wird und die Öffentlichkeit dazu schweigt bzw. noch den Vorwurf erhebt, man sei ja selbst, weil man
unnötig provoziere, daran schuld, dann läuft nicht nur etwas grundsätzlich verkehrt, dann stellen sich alle Freunde der Freiheit, wenn sie bei ihren aberwitzigen Ausflüchten und Ausreden bleiben, nur, um
nicht einmal selbst praktisch und nicht nur in billig zu habenden Sprüchen Stellung zu beziehen, als die totalen Versager heraus. Und sie werden zu Feinden der Freiheit.
Wir alle haben Angst. Keiner von uns will ohnmächtig der Gewalt ausgeliefert sein. Damit stehen unsere Versager nicht allein. Aber klopft
denn diese Gewalt nicht längst schon an unsere Tür? Ist sie nicht schon längst in unseren Wohnungen, wenn z.B. völlig gesetzwidrige Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei Verlegern durchgeführt
werden? Bedroht diese Gewalt uns nicht schon längst unmittelbar, ist sie nicht kurz davor, uns abzuführen, vielleicht nach Quantanamo, vielleicht in das nächste KZ vor Ort?
Wenn gesagt wird, es sei verfassungsfeindlich und kriminell, die „öffentliche Debatte zu ermöglichen“, welches Zeichen brauchen denn
dann unsere maulheldigen Freiheitsfreunde noch, um zu erkennen, daß die totale Freiheitsberaubung und Versklavung droht?
Das alles geht einher mit der ab nächstes Jahr drohenden Zwangsaussiedlung von Arbeitslosen. Demnächst werden die Sklaven wieder –
vielleicht ohne Ketten, statt dessen mit Tittitainment – zu den Produktionsstätten der Herren verschifft.
In den tonangebenden Kreisen wird es immer schicker, mit der Diktatur zu liebäugeln. Die Journalistin Maritta Tkalec schreibt
z.B. in der Berliner Zeitung vom 5.11.03: „Oligarchie heißt ‚Herrschaft der wenigen’ und also das Gegenteil von Demokratie. (…) Man wird doch mal ein neugieriges Auge auf den Oligarchen neuen Typs werfen dürfen (…). Die Vorteile einer Herrschaft der wenigen sind auch nicht ohne Charme: Sie sind schön reich, sie sind Vorbilder und sie bieten Klasse statt Masse.“
Wenn die Freiheitsfreunde, die in ihren Sprechblasen andauernd von der Freiheit faseln, aber nicht den kleinen Finger rühren, wenn es gilt,
Stellung zu beziehen, dann beweist das nichts anderes als daß sie Angst haben. Sie gestehen es sich nicht ein, daß sie Schiß haben, aber sie ahnen, wie weit die Versklavung schon vorangeschritten ist.
Ihre Angst ist tatsächlich begründet, wenn schon Leute, die selbst gar nicht einmal großen Wert darauf legen, ihre Meinung zu äußern, sondern sich lediglich dafür einsetzen, daß eine öffentliche Debatte
ermöglicht sein sollte, genau dafür verfolgt werden.
Unsere Freiheitskämpfer haben sehr begründete Angst, oh ja. Aber dann sollen sie sich mit ihrer Angst in ein Loch verkriechen und in
Gesellschaft mit anderen Freiheitsversagern ihre großartigen Freiheitspiepser und schwülstigen Hymnen auf die Freiheit von sich geben. Die Freiheit, die sie meinen, ist leer und bar jeden Lebens.
Was soll das für eine Freiheit sein, wenn sie nicht stattfinden darf?
Die Angst vor der Diktatur ist berechtigt, weil die Diktatur schon da ist. Dabei wäre der Kampf gegen die Diktatur so lächerlich einfach.
Gegen die Diktatur braucht es keine vollmundigen Sprüche und keine Aufrufe zur Revolution. Der Diktatur ein kleines bißchen Freiheit abzuringen, bräuchte es eines kleinen Hinweises auf das Grundgesetz.
Es würde genügen, etwas Zivilcourage aufzubringen und zu sagen:
„In einer Demokratie kann es nichts Kriminelles sein, die öffentliche Debatte ermöglichen zu wollen. Ich bin vielleicht nicht dafür, daß
die öffentliche Debatte stattfindet, weil ich zu feige bin, aber ich bin dennoch dagegen, daß das Ermöglichen einer öffentlichen Debatte nicht verfolgt wird. Das unterschreibe ich, dafür gebe ich meinen
Namen, dazu stehe ich. Ich unterschreibe keine ketzerischen, völlig übertriebenen Reden; ich distanziere mich von allen Äußerungen Andreas Röhlers, wie sie das Amt für Verfassungsschutz, das ich als
höchsten Wächter des Richtigen und Guten und höchsten Verkünder der Wahrheit anerkenne, wiedergibt. Ich habe nicht mehr mit Andreas Röhler zu tun als was ich hier sage. Ich distanziere mich von jedem
Extremismus und von jeder Verfassungsfeindlichkeit. Ich bin kein Kämpfer für die Freiheit, so wie ich es früher in meinen Träumen war und heute in meinen Sprüchen. Nein, ich bin ein ganz normaler
Bundesbürger, der nur gegen die Kriminalisierung von Versachlichung ist. Nur gegen diese Kriminalisierung gebe ich meine Unterschrift. Denn wenn die Ermöglichung einer öffentlichen Debatte
verfassungsfeindlich ist, dann verstehe ich die Welt nicht mehr bzw. dann beginne ich zu begreifen, daß die Verfassungsfeinde in der Behörde gegen Verfassungsfeindlichkeit sitzen. Aber das sage ich
nicht, weil ich Angst vor diesen Mächtigen im Staatsapparat habe. Nein, ich sage nur: Die Verfassung sollte respektiert werden. Mehr sage ich nicht. Und wenn man dann auch mich dafür noch verfolgen
sollte, dann werde ich rebellisch wie in meiner Jugend, dann stellt sich mir allerdings die Frage, ob nicht doch lieber tot als Sklave.“
Unterschreiben Sie folgende Petition und senden Sie sie an Peter Töpfer, c/o VdF, Postfach …
Petition
Ich bin dagegen, daß Andreas Röhler dafür verfolgt wird, weil er eine öffentliche Debatte ermöglichen wollte. Keinem Bürger
dieses Landes darf das zu einem Vorwurf von Seiten des Staates gemacht werden.
Ich bin der Meinung, daß der Vorwurf einer „versachlichenden Wortwahl“ nichts in einer staatsanwaltlichen Anklageschrift zu suchen
hat, und daß das Bemühen um Sachlichkeit nicht verfolgt werden darf.
Anmerkungen 2017:
(1) An die Nachgeborenen: Es hat damals, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, einige seltsame Heiligtümer gegeben, über die, wie es
auch in anderen Zeiten so üblich war und in Euren Zeiten noch üblich sein wird, nicht sachlich und nicht öffentlich gesprochen werden durfte.
(2) Die Liberalen, die Libertären und wie sie sich sonst noch nennen haben ausnahmslos keine Solidarität gezeigt. Im Gegenteil, Peter
Töpfer wurde - ich muß es leider sagen - von André F. Lichtschlag öffentlich als „Nazi“ bezeichnet.
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