Igor Schafarewitsch: Russophobie. Das Kleine Volk und die Russen Verlag der Freunde, Berlin 1995, 206 S., Aus dem Russischen von Hans Mus. Die russische Ausgabe erschien unter dem Titel "Rusophobia".
Inhalt: Vorwort des Autors zur deutschen Übersetzung. Einführung. Blick auf die russische Geschichte. Pläne für Rußland. Das Kleine Volk. Die moderne Variante des Kleinen Volkes. Der nationale Aspekt.
Eine schmerzhafte Frage. Der jüdische Einfluß auf das revolutionäre Zeitalter. Vergangenheit und Gegenwart. Schluß. Anhang: Logik der Geschichte? Die Russische Idee. Ein Gespräch mit Dimitri Merkulow.
Ein Gespräch mit Sergej Wlassow. Bibliografische Angaben zu "Russophobie". Der Autor: Igor Schafarewitsch ist Träger des Lenin-Ordens, seit 1943 Mathematikprofessor in Moskau und Mitglied
zahlreicher internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften. Vorwort des Autors zur deutschen Ausgabe (August 1994): Das vorliegende Buch wurde Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre
geschrieben, als sein Verfasser nicht die geringste Hoffnung hegte, es einmal in seiner Heimat oder im Ausland zu publizieren. Die einzige Form, in der es verbreitet wurde, war die illegale Literatur des
Samisdat. Erst als sich die Situation in Rußland verändert hatte, konnte das Buch hier sowie im Ausland in russisch und in Übersetzungen erscheinen. Ich begann mit dem Buch, weil ich überrascht war von
einigen Wesensmerkmalen des damals bei uns aufgekommenen Samisdat und der ihm nahestehenden Literatur damaliger Emigranten aus der Sowjetunion. In vielen dieser Schriften fiel die Mißgunst, ja der Haß
gegenüber der Kultur, den geschichtlichen Traditionen und der nationalen Psychologie der Russen sowie die feste Überzeugung der Autoren von ihrem Recht ins Auge, Rußland den Entwicklungsweg vorschreiben
zu müssen. Deutlich war hier die Stimme einer ganzen Schicht zu hören, die eine führende Rolle im Leben des Landes beanspruchte. Bekräftigt wurde dieser Anspruch mit ihrer Überzeugung, der übrigen
Bevölkerung des Landes, die als Schöpfungen minderen Ranges behandelt wurden, überlegen zu sein. Manchmal mußte man den Eindruck gewinnen, es ginge um Geschöpfe unterschiedlicher biologischer Art: So
nannte ein Autor seine Gesinnungsgenossen ein Geschlecht von Giganten, das übrige Volk dagegen einen menschlichen Schweinestall. Damals lernte ich auch die Schriften des französischen Historikers Cochin
kennen. Sehr prägnant hatte er eine ebensolche Schicht im vorrevolutionären Frankreich beschrieben, die den Traditionen und dem Geist ihres Landes feindselig gegenüberstand. Aus dieser Schicht, so
Cochin, seien auch die meisten Persönlichkeiten der Revolution hervorgegangen. Er nannte diese Schicht "das kleine Volk" und stellte ihm das sonstige "große Volk" gegenüber. Mir
scheint, daß sich hier ein gewisses allgemeines Merkmal historischer Krisen zeigt, eine bestimmte allgemeine Gesetzmäßigkeit, die vielleicht als Teil in die Anatomie der Krise eingeht, sollte eine solche
Wissenschaft einmal geschaffen werden. In der Tat läßt sich das völlig analoge Phänomen "Kleines Volk" sowohl in der englischen Revolution (Puritaner) wie auch im Deutschland der dreißiger
Jahre des 19. Jahrhunderts (Junges Deutschland) und in der revolutionär-liberalen Bewegung Rußlands vor der Revolution beobachten. In all diesen Situationen ist das Kleine Volk von seiner Auserwählheit,
von seinem Recht, über die Geschicke des Landes zu entscheiden, überzeugt, während es das sonstige Volk für eine Herde hält, deren Verständnislosigkeit, aber auch Ungehorsam und Gereiztheit auslöst, die
bis zu wütendem Haß ausarten kann. In Rußland ist dies der Haß auf die Russen, die Russophobie, die als Titel des Buches diente. Natürlich finden sich zahlreiche Beispiele dieses Hasses. Der Hitlerismus
beispielsweise brachte den Russen wie auch den anderen Völkern unseres Landes unermeßliches Leid, er vernichtete das Leben einer ganzen Generation. Und er gründete sich auf eine ähnliche Vorstellung, die
vom "Untermenschen". Doch war das der Haß eines offenen Gegners. In me. Artikel-Nr.: 830304.
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